Am seidenen (Gedulds)Faden

Mama braucht Geduld in der Trotzphase

Eine der schwersten Aufgaben als Eltern. Gleich nach “das Kind am Leben erhalten”: Geduld mit deinem Nachwuchs. Nie habe ich gedacht, dass das wohl meine größte Herausforderung werden würde. Weil Kinder sind halt Kinder und wissen es nicht besser. Hilflos. Auf dich angewiesen. Süß. Kulleraugen. Hab mich lieb. Gib mir Schokolade. Alles bekannt. Aber wie schnell mich mein Kind auf die Palme bringen kann, ist mir mittlerweile selbst unheimlich. Zeit für Psychotherapie.

Physikalische Experimente mit dem Geduldsfaden

Es ist ja bereits bekannt, dass ich nachts wie Cruella de Ville ausflippe, wenn ich um meinen Schlaf komme (lies hier die ganze Horrorstory) – oder besser gesagt, wenn mein Schlaf zehn Mal unterbrochen wird, weil jemand neben mir jammert und acht Mal davon ist es das Kind. Oder etwas Ähnliches, wie bereits hier schon ausführlichst protokolliert. Meine Geduld ist defakto nicht vorhanden, oder war es auch nie. Also betreiben wir mal Ursachenforschung. Wie schnell reisst Mamas Geduldsfaden?

Vor dem Aufstehen
Die Nacht war beschissen und ich bin fix 0 Mal in den Tiefschlaf gefallen. Um 5 Uhr morgens merke ich bereits, dass mein Kind schön langsam unruhig wird. Die Alarmglocken schrillen: Schnell mit Stillem komatisieren, damit wir nicht vor Sonnenaufgang aufstehen müssen.

Wir stehen auf
Versuch kläglich gescheitert. Ich taste mich blind zum Lichtschalter und zur Brille, während mein Kind schon ganz aufgeregt auf dem Bett sitzt und mir die Hände entgegen streckt. Ich versuche auf Zombie-hafte Art und Weise ins Wohnzimmer zu finden, steige dabei auf tausend spitze Spielzeug-Gegenstände, schaffe es unter Kreuzschmerzen gerade noch, das Kind behutsam auf die Spielmatte zu setzen und plumpse erschöpft aufs Sofa.

Wir sind wach
Ich versuche leise zu sterben, während mein Kind mit Bausteinen um sich schmeisst. Leider schaffe ich es nicht, leise genug zu sein, denn das Energiebündel wird auf mich aufmerksam und krabbelt auf mich rauf. An guten Tagen werde ich nur als Pferd benutzt. An schlechten wird mir ins Gesicht geplärrt. Weil Hunger. Oder allgemeine Unzufriedenheit.

Das Frühstück
Nehmen wir mal an, es ist der Hunger. Ich bewege mich in die Küche und mache Frühstück. Müsli, Butterbrot, Käse, Avocado, Eierspeise, Banane. Eine Variation. Wir setzen uns zu Tisch und ich höre schon freudiges Mhhhhh. Der erste Löffel wird mir aus der Hand gedroschen. Die Butterbrot-Stücke kleben an der Wand, die Avocado auf mir. Jetzt brauche ich Kaffee. Viel Kaffee. Und dazu die Essensreste meines Kindes vom Boden. Gegessen hat es nämlich nichts.

Der Vormittag
Ich schnappe das Kind, das mich wieder unzufrieden anplärrt und versuche es zu wickeln. Und anzuziehen. Die volle Windel landet auf meinen Fuß, die Kleidung fliegt mir um die Ohren. Irgendwann ist das Kind angezogen und wird zum Zähneputzen ins Badezimmer gebracht. Hey, das funktioniert wenigstens! Danach versuche ich mich etwas frisch zu machen. Einstweilen räumt das Kind die Waschmaschine aus. Bzw schleckt Waschpulver aus den Rändern der Maschine. Schmeisst Handtücher in die Badewanne und beschmiert den Spiegel.

Wir begeben uns wieder in das Wohnzimmer und ich putze erstmal den Boden vom Frühstück. Mein Kind versucht derweil panisch die letzten Essensbröserl vom Boden zu erwischen und stopft alles was geht rein. Ich wische Tische ab, spüle Geschirr. Mein Kind findet kein Essen mehr und zerrt an meinen Beinen.

Mittag
Um 10 Uhr muss ich mit dem Mittagessen kochen beginnen. Weil das kann dauern und das Kind hat ja nichts gefrühstückt, also wird der Hunger gleich da sein. Essen kochen geht natürlich gar nicht. An mir wird wieder gezerrt und es wird geschrien. Ich mache eine Küchenlade auf und lasse walten.

Wir essen um 11 Uhr Mittag. Der Hunger ist riiiiiiesig. Mein Essen ist eeeeeekelig. Alles wird ausgespuckt. Der Bulgur (kocht niemals Bulgur oder Quinoa, ihr werdet es bei Kleinkindern bereuen!) klebt unter meinen Füßen und in jeder Bodenrille. Ich schaufle schnell ein bisschen Essen in mich rein. Das Kind steigt auf ihr eingeweichtes Müsli vom Morgen um. Immerhin ein paar Bissen davon.

Halbzeit – Lagecheck Geduldsfaden

Es ist 12 Uhr Mittag und ich bin noch nicht einmal richtig munter. Im Essbereich klebt Essen. Die Küche kann ich nicht betreten, weil diverse Küchenutensilien vom Kind als Mama-Fallen geschickt drapiert wurden. Auf der Küchentheke sieht es nicht besser aus, überall Geschirr, Töpfe, Pfannen. Ich weine kurz. Dann mach ich mich unter Geschrei an die Arbeit.

Meine Müdigkeit wird schön langsam in Wut umgewandelt. Ich mache hier ALLES und werde dafür nur angeschrien. Kann hier nicht endlich mal Zufriedenheit herrschen?

Der Nachmittag
Völlig außer Kraft – Kind und ich wohlgemerkt – versuchen wir einen Mittagsschlaf. Ich verspreche dem Kind, dass ich diesmal liegen bleibe, weil ich ja ohnedies selber so müde bin. Das Kind offensichtlich auch. Aber im Bett wird gekämpft. Trotz kompletter Müdigkeit, kann nicht stillgehalten werden. Ständig dreht sich das Kind auf den Bauch oder plappert und kreischt fröhlich.

>> AN DIESER STELLE REISST DER GEDULDSFADEN <<

Ich stehe auf und lasse das Kind zurück – es folgt mir natürlich krabbelnd und schimpfend ins Wohnzimmer. Ich vergrabe mein Gesicht im Boden und ärgere mich über meinen Ärger, der mich nicht ärgern sollte. Es ist ein Kind. Was wurde aus “Es weiß es nicht besser”?? Ich ertappe mich also selbst dabei, wie ich trotzig werde und am liebsten mit den Füßen aufstampfen will. Wer ist nun hier das Kind?

Ratschläge von papazuhause.at

Und dann treffe ich vor kurzem – es muss Schicksal sein – auf einen alten Beitrag von Blogger-Kollege Bernhard von papazuhause.at. Der hat nämlich ein tolles Buch gelesen und es kurz zusammengefasst. Und es scheint fast so als hätte das Antworten. Auch auf Fragen zum “trotzigen” Kind aber mich faszinieren viel mehr die Antworten auf Fragen, die ich mir und meiner Geduld persönlich stelle. Ich verschlinge dieses Buch regelrecht, weil endlich ist hier was wissenschaftlich belegt. Nämlich, dass mein Gehirn nachts den Filter deaktiviert hat und ich deshalb so schnell ausraste. Dass ich selbst trotzig und ungeduldig bin, weil es – und wie soll es auch anders sein – an meiner eigenen Kindheit liegt (die war eh toll Mama, keine Angst). Und dass auch die Gehirnregionen meines Kindes noch nicht so funktionieren, wie sie es einmal werden und ich deshalb höchstens von der Natur, aber sicher nicht von meinem Kind geärgert werde.

Danke jedenfalls Bernhard für diesen Tipp – ich habe sehr viel über mich selbst gelernt und bin gerade dabei meinen Geduldsfaden aus widerstandsfähigerem Material zu fertigen. Es bleibt spannend. Zum Zerreissen spannend. Haha 😉

Geduld bei der Trotzphase meines Kleinkindes

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