So schläft dein Baby durch

Schon alleine beim Schreiben dieses Titels kommt mir die Galle hoch. Weiß ich doch, dass hier jetzt verzweifelte Mütter und Väter auf den Artikel klicken und hoffen, dass sich dahinter die Lösung ihrer Augenringe verbirgt. Ich weiß das. Ich klicke selbst auf diese bescheuerten Artikel, die versprechen, mit diesen Tricks bringst auch du dein Baby zum Durchschlafen. Dabei ist das ganze Thema Baby und Schlaf ein Mythos. Und der Traum vom Durchschlafen ein Märchen.
Hilfe, wir haben das Kind verwöhnt
Warum komm ich jetzt auf so ein Thema, wo ich doch nun Kleinkind-Mama bin und mein Kind demnach seit punktgenau dem 1. Geburtstag durchschläft, am Familientisch ordentliche Portionen isst, nicht mehr gestillt werden muss, sich alleine beschäftigen kann – stundenlang, keine Tagesschläfchen mehr braucht, nachts von anderen gesittet werden kann und sowieso im eigenen Bett im eigenen Zimmer, am besten im eigenen Haus schläft und eigentlich schon selbstständig aufs Töpfchen geht. Denn OH WEH! wenn dein Kind das mit dem 1. Geburtstag noch nicht alles macht! Dann hast du als Eltern und vor allem Mutter versagt. Am besten zurück zum Anfang, vielleicht hast du beim zweiten ja mehr Glück. Für’s erste gibt es nämlich keine Hoffnung mehr, so verwöhnt wie das wurde. Vermutlich wird aus ihm ein glücklicher, vertrauensvoller, empathischer, sympathischer Erwachsener, der seine Eltern später gerne mal besucht. Hoffnungslos der Fall also.
Ein Mittel für ruhige Nächte
Aber jetzt nicht vom Thema abweichen. Dieses Schlafen also. Ich habe ja von Beginn der Schwangerschaft bis heute Tagebuch geführt und das hat sich als gold erwiesen. Denn alles ist vergessen. Also schlage ich nach, wie unsere Nächte so waren, als unser Baby noch Wochen gezählt hat. Da steht was von Geweine und Geschrei abends. Stundenlanges Tragen. Einschlafen im Fliegergriff auf Papas Arm – der eine kleine feine Kotzspur des Säuglings hinter sich herzieht. Da steht was von echt kranken Momenten, in denen wir das schlafend geglaubte Kind wie eine Bombe langsam ins Bett legen wollen, es aber die Augen aufreisst und Mama und Papa panisch beginnen, “Ohhhhmmmmmm” zu brummen. Ja, das haben wir tatsächlich gemacht. Und noch viel schlimmer: Wir waren generell Fans von jeglichen Soundkulissen (hier noch immer zum Nachlesen): Wir lagen mit eingeschaltetem Fön im Bett. Wir fuhren mit einem aufgenommenen Fön-Geräusch im Auto. Wir haben unser Kind unter der Dunstabzugs-Haube geschunkelt. Und jetzt – haltet euch fest – sehen wir neulich Abend (schon längst sind die Abende ruhig und zur freien Verfügung, war das wirklich mal anders?) eine Werbung, die uns das Ganze erspart hätte.
Werbung für bessere Babys
Ich nenne keine Marken. Aber es gibt – laut seriösen Werbe-Quellen – ein Mittel, mit dem dein Kind nachts zur Ruhe kommt. Die Werbung geht so: Ein Baby schreit. Mama und Papa sind verzweifelt, wissen nicht, was sie alles probieren könnten (kennen offensichtlich den Mama-Jammer-Blog nicht) und schreiten zur Tat. Sie tragen dem Baby – das plötzlich ruhig ist – ganz sanft ein Babybalsam auf die Brust auf. Das Baby freut sich. So schön, so glücklich. Wollte ja offensichtlich nur leicht mit den Fingern am Brustbein massiert und dabei von Mama und Papa liebevoll angelächelt werden. Und dann. Macht es die Augen zu und schläft. Im hellen Raum. Während ein Kamerateam noch filmt wohlgemerkt. Und wahrscheinlich schläft dieses Baby jetzt auch noch durch, während das Filmset abgeräumt wird.
Hätten wir doch nur vorher gewusst …
Damals gab es dieses Balsam noch nicht oder? Wir zerbrechen uns den Kopf darüber, ob uns das geholfen hätte. Es warn ja schließlich beruhigende Essenzen drin. Wir stellen aber dann Gott sei Dank und mit Hilfe meines Tagebuches fest, dass unsere Werbung so ausgesehen hätte:
Mama und Papa haben ein Rotz und Wasser heulendes Baby am Arm und wissen nicht, was sie tun sollen. Man versteht nichts, was die beiden beratschlagen, weil der Fön ein zu lautes Hintergrundgeräusch abgibt. Das Baby wird hingelegt und kotz sich und das Bett komplett voll. Die Mama versucht panisch die Kotze mit Mullwindeln aufzufangen und bekommt dabei den dritten Kotz-Schwall ab. Das Kind wird unter Geplärre vom Papa gewaschen und ausgezogen. Vorm Anziehen dann das Heilmittel: wir versuchen Babybalsam auf die Brust aufzutragen. Unser Baby taucht unsere Hände mit Armen und Beinen weg und will nicht berührt werden. Statt dessen grölt es und mit voller Kehle ins Gesicht (nicht vergessen, das Kind hat vorher gekotzt!) Wir lassen es bleiben und bekommen Balsam in Augen und Haare. Wir ziehen das Kind schnell an, die Mama legt sich ungeduscht ins Bett und stillt das Baby, das sich in die Brust schluchzt. Nach 165 min ist das Baby so eingeschlafen und Mama und Papa bewegen sich wie Schatten in Zeitlupe rückwärts aus dem Zimmer und versuchen nicht zu atmen. Nach 30 Minuten sind sie aus dem Zimmer draußen. Der Abend ist gelaufen.