Episoden einer Alterskrise Part II

Mit 13 habe ich’s das erste Mal ausprobiert und konnte gar nicht genug davon bekommen. Immer mehr Pokémon habe ich gesammelt, die Augen immer eckiger, der Geist immer süchtiger. Wenn dich der kleine Bruder aber mal sowas von fertig macht, weil mein Glurak-Feuerstoß komplett ab-loost gegen sein Level 89 Turtok und du die Welt nicht mehr verstehst, weil der ja schließlich erst gestern zu spielen begonnen hat und eigentlich noch nicht mal lesen kann, wird’s deprimierend. Außerdem war ich dann sowieso viel zu alt für den Scheiß.
Hab mich dann essentielleren Dingen des Lebens gewidmet. Das waren in den Jahren 2000 – 2004 eben „Die Sims“. Und während ich monatelang meine Klassenkollegen nachgebaut, sie gemeinsam in eine Villa ziehen lassen und schlussendlich den menschlichen Trieben freien Lauf gelassen habe, wusste ich, dass:

1. Manche Menschen komplett verloren wären, wenn man ihnen nicht sagt, dass sie, wenn sie Pipi müssen, auf die Toilette gehen müssen.
2. Ich dem Chaos nur ein Ende bereiten kann, indem ich manche einfach in den Pool schubse und die Leiter verkaufe und warte was passiert.
3. Dieses Spiel mich irgendwann zum Psychopathen machen könnte und ich schleunigst damit aufhören sollte.

Als Kind des digitalen Zeitalters hatte ich dann natürlich eine echte Sinnkrise. Kein Computerspiel konnte mich mehr so in den Bann ziehen. Keine Geduld und eine Aufmerksamkeitsspanne wie …
Auf jeden Fall hab ich mir dann vor Kurzem, nur der Nostalgie wegen, die Pokemon Go App besorgt.

Einfach ein bisschen in Kindheitserinnerung schwelgen, trauern, kurz weinen und dann wieder weiter. Nur vereint dieses verdammte Spiel nun alles was schön ist im Leben:
Mein heiliges Smartphone, Augmented Reality und ein bisschen Kindheit dank der Taschenmonster.

taubsi
Taubsi kennt kein Erbarmen

Und dann laufst du halt mal durch die Stadt, wie der Hans-guck-in-die-Luft und versuchst heimlich aus der Hüfte mit deinem Smartphone ein Pokémon auf der Straße zu fangen. Dann passiert es auch mal, dass du neben vollkommen Ahnungslosen deinen Kollegen erzählst, dass du heute noch ein Ei ausbrüten musst und dafür bemitleidenswerte Blicke erntest. Und, ja mein Gott, dann will man halt mal den anderen sein Bisasam zeigen, sein Taubsi dem Professor schicken, das Rattfratz mit Bonbons füttern und es zu der nächst höheren Stufe entwickeln.
Ich gebe ja zu, es wirkt ein klein wenig irre, wenn man davon spricht, dass die Arbeitsstätte eine Arena ist und ich nun solange darauf hintrainieren muss, damit ich sie wieder zurück erobern kann. Oder andere Kollegen ins Kammerl lockt, weil dort ein Zubat festsitzt. Oder etwas zu laut von den Traumatos im Bett berichtet. Aber hey – es macht mich richtig glücklich. Und ich treffe Leute, in deren Augen man das gleiche Glitzern sieht. Es ist sogar richtig sozial das Spiel. Trifft man doch draußen in der realen Welt auf Verbündete, die zum ersten Mal das Sonnenlicht sehen und spüren. Lasst mir doch die paar Wochen Freude, Jugend, Kindheit, bis ich mich wieder gelangweilt abwende. Wer weiß, ob mich jenseits der 30 mal wieder etwas so süchtig macht.

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