Wüste, Steine und Gewalthandlungen am Abgrund

Man muss sich das so vorstellen: Man landet in Los Angeles und verweilt dort, sagen wir für ca. 2 Tage bevor man die eigentliche Reise antritt. Nun ist es ja so, dass man schon gehört hat, dass LA prinzipiell ja ganz glamourös und voll Hollywood ist, aber umhauen tut’s keinen beim Anblick der versmogten Wolkenkratzer. Ja so war es auch, aber das Adrenalin war trotzdem auf kurz vor Ende der Skala, weil man ist ja zu Beginn noch motiviert und so. Nach gut 80 Kilometer Fahrt weg von der Stadt, erreicht man dann mal das Stadtende, gekennzeichnet durch weniger Autobahnspuren (4 statt 8). Ist ja schon fast Outback hier! Dachte ich damals noch, nicht wissend, dass wir noch das eigentliche Hardcore-Wüsten-Sightseeing vor uns hatten.
Im ersten Nationalpark ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass es da nichts gibt, ausser diese Bäume, die alle den selben Namen haben (Joshua) und damit die Rasse gleich klar ist und keine Missverständnisse aufkommen auch gleich den Nachnamen “Tree”. Und zwischen diesen netten Bäumchen (ich geb’s zu, nach dem 100. Baum war ich nicht mehr geflasht), hat jemand, dem mega langweilig war, Steinhaufen drapiert. Wenn ich böse wäre, würde ich jetzt sagen, ein ungefähr 40 Meter großes Ungeheuer hat seinen Darm entleert und sollte dringend mehr trinken! Bin aber nicht böse, deshalb sag ich nichts und denk es mir nur. Also ein Häufchen nach dem anderen. Und weil das ganze echt der Wahnsinn ist, gibt es sogar ein ganzes Tal an Mega-Häufchen, durch das man wandern kann!!!!! Machen wir natürlich. Und schauen uns ein paar Steine an, machen Fotos vor Steinen, posieren auf Steinen, rasten hinter Steinen und fragen uns, was unter den Steinen ist. Danach gehts wieder raus aus dem Park, und nur um auf Nummer Sicher zu gehen, schauen wir noch schnell zu einem Aussichtspunkt, bei dem man die ganze Kacke im Überblick hat. Echt cool.
Nächster Stopp Hotel, das sich aber noch gute vier Stunden weit weg befindet. Und dieser Weg dorthin führt durch die Wüste. Ist aber nicht so schlimm, man sieht ja das Ende der Straße vor sich. Nur dass die Straße 200 km pfeilgerade ist und man deshalb das Ende gut sehen kann, war mir nicht so klar. Hab aber dazugelernt. Und man freut sich so richtig auf diese eine Abzweigung, die dann kommt. Man kanns kaum erwarten: Was wird das Navi als nächstes anzeigen?? 250 km geradeaus. Natürlich. Aber an dieser einen Kreuzung in der Wüste ist ja Gott sei Dank eine Tankstelle, die unseren Hunger und Durst stillen wird. Nach einer ordentlichen Wärmeklatsche ins Gesicht beim Aussteigen und einem ausgiebigen Mahl an Chips und Oreos ist das Hirn ohnehin mal für die nächsten Stunden außer Gefecht gesetzt.
Es folgen einige Orte. Die berühmt sind. Für ihre tolle Natur. Sie war wirklich atemberaubend schön! Aber diese Steine. Mal ehrlich. Rote Steine, runde Steine, große Steine, Steintürme, Steinbögen, Steinplateaus, Steinzinnen, Steingeröll, Steinstein, Sandstein, brüchiger Stein, Stein mit Aussicht, Stein mit potentieller Todesfolge. Amerika hat voll die Steinkultur! Aber wirklich schön. Echt jetzt. Und wenn du dir dann ein paar dieser Riesensteine von einem echten Indianer erklären lässt, dann weißt du echt, weshalb sie so schön und toll und überhaupt sind. ”Dieser Stein Rain God Mesa. Heißt so weil Regengott Regen über Stein bringt. Dieser Stein Three Sisters. Sieht aus wie drei Schwestern. Dieser Stein Camel Butte – Kamel schaut nach Westen. Das da Artists Point. Weil schön. Und hier The Thumb.” Wow dieser Spirit!!!!! Ich spürs jetzt noch in mir hochkommen – diese Schlaglöcher über die der Jeep geprescht ist. Aua.

Bevor ich aber jetzt zu meinen Lieblingssteinen komme. Dazwischen gab’s was, das ich eigentlich vergessen wollte. Unser toller Indianer-Häuptling würde sagen: “Dieser Stein große Spalte. Grand Canyon.” Alles klar oder. Und jetzt kommt mein großes Coming-out: Ja, ich habe Höhenangst. Und ja mir ist es scheiß egal, wie geil diese Spalte ist, ich mag sie trotzdem nicht! Und ich mag auch keine Leute, die gerne am Abgrund stehen und ihre Zehenspitzen den Wind spüren lassen. Und schon gar nicht mag ich es, wenn ich diese Leute mag. Jedenfalls war ich kurzzeitig Fotomodel für das Thema “Häusliche Gewalt an Männern und der Vollzug in der Öffentlichkeit”. Ja ich schlage meinen Mann, wenn er nach dem 10. Mal Schreien nicht bei Fuß kommt. Ich geb’s zu und es hat mir auch noch Spaß gemacht. Ich würde wieder tun, nur fester und mit Stoß über den Rand. Wer nicht hören will muss fliegen.

Aber wie gesagt, bei meinen Lieblingssteinen war alles vergessen. Man stelle sich einen Wald voller Steine vor. Wundervoll. Alles rot erleuchtet. Echt traumhaft. Wie im Märchen. Unbeschreiblich. Hier hätte ich ewig Zeit verbringen können. Und über meine Beziehung zu Steinen ernsthaft nachdenken können. Die haben echt viel erlebt bis sie das wurden, was sie heute sind. Das selbe wie vor Millionen von Jahren. Vom Wind gestreichelt, vom Wasser umspielt, von vielen bestaunt von allen geliebt. Ich hab jetzt keinen Stein-Fetisch oder so. Aber ein paar glasige Augerl beim Anblick vom einen oder anderen Stein sind schon drinn.
